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Projekt Ronja
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Workshops bei Gerhards Marionetten
Erster Block: Bau der "Unterirdischen" – Herbst 2010
Von Hiltrud Schäfer
5.10.2010
Eine Teilgruppe mit 12 Kindern und einer Lehrerin läuft bei schönem
Herbstwetter in die Werkstatt zu Gerhards Marionetten. Wir werden
von Alexander und Birgit empfangen. Wir machen uns kurz bekannt, die
Kinder sagen ihre Namen. Dann dürfen sie sich erst mal in die
vordere Zuschauerreihe setzen und bekommen von Birgit den ersten
Unterirdischen gezeigt. Es ist eine Tuchmarionette mit Kugelkopf und
an allen vier Ecken vier kleine Kugeln, alles in weiß. Die Kinder
finden sie toll, haben viele Fragen und auch noch Anregungen, z. B.
dass die Marionette ein Gesicht oder Haare bekommen könnte. Eine
besondere Frage von Mira beschäftigt uns: „Wie schafft ihr es, dass
die Marionetten auf der Bühne so lebendig aussehen?“
Dann gehen wir in den 1.Stock, in die Werkstatt. Alles ist dafür
perfekt vorbereitet, dass die Kinder an Stationen das Fadenkreuz für
14 Marionetten bauen können. Alexander und Birgit erklären genau,
was zu tun ist: Von Hand Dübelhölzer sägen, anschließend mit der
Ständerbohrmaschine bohren, mit Schleifpapier bearbeiten, mit einer
speziellen Vorrichtung das feine Tuch schneiden. Die Kinder erleben
durch das kleinschrittige, arbeitsteilige und präzise handwerkliche
Vorgehen, wie wichtig und schön es ist, genau und konzentriert zu
arbeiten. Auf einer technischen Zeichnung können sie alle Teile
erkennen, ablesen und die Maße entnehmen. Wir Erwachsenen betreuen
die Stationen.
Immer wieder entdecken die Kinder während der Arbeit spannende Dinge
in der Werkstatt: Bilder und Skizzen, fertige Marionetten,
Marionetten im Entstehungsprozess, Kulissen… Sie erleben die
Künstler bei der Arbeit und dürfen diese alles fragen, was sie
interessiert. Überall Offenheit und Fröhlichkeit.
Am Ende zeigen uns Alexander und Birgit das Lager mit den
Marionetten der aktuellen Stücke. Es ist für die Kinder sehr
eindrücklich. Viele Figuren erkennen sie wieder. Wir bekommen sie
kaum noch nach draußen. Ein gelungener Auftakt!
12.10.2010
Wieder wird an Stationen gearbeitet: die Stäbe für das Fadenkreuz
müssen schwarz angemalt werden, Kugeln müssen weiß angemalt werden,
wie letzte Woche wird an einer Station gesägt, an der Drehbank wird
mit Hilfe gebohrt, Stoffquadrate werden zugeschnitten, an die Ecken
wird dünner Nylonfaden angenäht. Die Kinder entwickeln Vorlieben für
bestimmte Tätigkeiten oder wechseln die Station. Die
Arbeitsatmosphäre ist entspannt und produktiv. Nebenher wird über
Verschiedenstes kommuniziert, viel auch über Ronja.
19.10.2010
Heute werden die Kinder von fast allen Mitarbeitern unterstützt.
Möglichst viel Tücher-Marionetten sollen fertig werden. Zuerst
bekommen wir wieder präzise Arbeitsaufträge: Die Kugeln, die die
Kinder letzte Woche weiß angemalt haben, müssen an allen vier Ecken
der Tücher angebracht werden. In die Mitte kommt eine etwas größere
weiße Kugel als Kopf. Dünne Schnüre aus Nylon sollen an alle Ecken
und jeweils in die Mitte der Tücher mit ein paar kleinen Stichen
angenäht werden. Die Fadenkreuze müssen zusammengeleimt werden und
vollständig mit schwarzer Farbe angestrichen werden. Nun geht es wie
im Bienenschwarm zu: eine Gruppe arbeitet der anderen zu, Material
wandert von einer Station zur nächsten. Die Kinder sind eifrig und
gespannt, wie die Arbeit gelingen wird. Spannend wird es in der
letzten Stunde: nachdem alle Fadenkreuze schwarz sind und trocken
geföhnt wurden, sollen die Fäden daran auf einer Höhe von 75 cm
befestigt werden. Dafür sammeln sich immer einige Kinder um ein
Tuch. Ein Erwachsener erklärt, wie und auf welcher Höhe die Kinder
die Knoten anbringen sollen. An allen Ecken dürfen die Kinder nun
abmessen und knoten. Die Marionette wird „zum Leben erweckt“. Wenn
alle Schnüre sitzen, wollen die Kinder sofort mit der Marionette
spielen. Sie sind fasziniert! Wir haben fast alle Nebelwesen fertig
bekommen. Nächste Woche können die Kinder damit auf der Bühne zur
Musik proben.
25.10.2010
Wir treffen uns zu einer kurzen Besprechung vor der Bühne. Alexander
und Birgit, Wolfgang und Karin wollen von den Kindern hören, wie die
Musik zustande kam, die Jochen Fassbender mit den Kindern
aufgenommen hat. Sie lassen sich die Instrumente beschreiben. Dann
sprechen wir darüber, dass zu Beginn des Nachmittages die letzten
Marionetten fertig aufgebunden werden müssen und wir danach auf der
Bühne erst noch einmal die Stelle aus Ronja Räubertochter hören
wollen, bei der die Unterirdischen Ronja verführen wollen. Dann soll
mit Ultraviolett-Licht und der Musik schon mal geprobt werden. Das
Aufbinden findet wieder in kleinen Gruppen statt. Mir gefällt, dass
die Kinder möglichst alle Handgriffe selbst erledigen dürfen. Die
Erwachsenen begleiten die Gruppen aufmerksam und anleitend. Nun
gehen wir auf die Bühne. Birgit liest vor, dann sammelt Alexander
mit den Kindern Ideen, wie sich die Nebelgeister wohl bewegen
werden. Er spielt mit einer Marionette einige Bewegungsarten vor. Er
betont, dass es wichtig ist, dass sich die Unterirdischen langsam
und fließend bewegen. Dann dürfen jeweils sechs Kinder auf der Bühne
mit Birgit zusammen eine vorgegebene Choreografie zur Musik
ausprobieren. Die anderen Kinder schauen zu. Das Ultraviolett-Licht
wirkt umwerfend und die Kinder sind z. T. ganz aufgeregt, staunen,
was alles leuchtet: Tücher, Jeans, Zähne, blonde Haare… Nach dem
Wechsel der Gruppen reflektieren wir kurz: was hat euch gefallen,
was hat gut gewirkt? Einige Kinder wünschen sich, dass sich die
Marionetten nicht immer synchron bewegen, sondern eigenständige
Bewegungen ausführen. Wir Erwachsenen beraten kurz, wie wir
weitermachen. In der letzten halben Stunde bekommen die Kinder dann
den Auftrag, in kleinen Gruppen zu zweit oder zu dritt eine eigene
kleine Choreografie (ein „Ballett“) zu überlegen. Diese Ergebnisse
spielen wir uns am Ende gegenseitig vor, jede Gruppe hat etwas
Besonderes gefunden. Eine Zweiergruppe kam zu keinem fertigen
Ergebnis. Und bevor wir uns auf den Rückweg machen, wollen die
Kinder unbedingt ihre überwältigenden positiven Rückmeldungen
loswerden: sie betonen, wie viel Spaß der Workshop ihnen gemacht hat
und dass sie gerne wieder kommen wollen. Auch Alexander und Birgit
loben die Kinder ausführlich. Wir klären noch, wie die Marionetten
an die Schule kommen und verabschieden uns mit tosendem Beifall. |